Wir hatten eine Menge Spaß, sowie unglaubliches Glück mit dem Wetter. Eine uns beiden völlig neue, interessante Landschaft sorgte für Abenteuerlust und Entdeckerlaune.
Madame, die mir für zwei Tage zugedacht war und der eigentlich sprichwörtliche Gemütlichkeit nachgesagt wird, entwickelte sich mit schwingendem Schritt zur Berglokomotive. Bergab hatte sie ein bissel
Schiß vor glitschigen Wegen. Da marschierte dann der pferdige Partner mit Chefin im Sattel frisch voran. Ich half der zaghaften Zutalgängerin, auf den abschüssigen Waldwegen die glitschige Spur von
der griffigen zu unterscheiden und schon bald entwickelte sich zunehmend gegenseitiges Vertrauen. Das wurde auch nicht erschüttert, als sie zwei Mal spontan völlig unbeabsichtigt meine
Sattelfestigkeit testete.
In der durchrittenen Gegend hausen nämlich allerorts wilde Hunde, die mit röchelndem Geknurr einem sanftmütigem Riesen hinterher oder entgegen stürzen und ihn aufs brutalste anbellen. Diese nicht
gerade kleinen, dunklen sich wie Bestien gebärdenden Vierbeiner schienen sich hinter ihren Torgittern und Zäunen besonders stark zu fühlen und machten so gar keinen sympatischen Eindruck. Als der
erste Angriff unverhofft von hinten kam, machte das liebe Scheckentier vor lauter Schreck so einen Riesensatz nach vorne, dass es mir blitzartig das Becken nach vorne weg riß und ich für einen Moment
die hinten am Sattel befestigte Banane im Rücken spürte. Das zweite Mal kam der Angriff schräg von vorn. Da brachte Madame uns mit einer rasanten 180° Hinterhandwende in Sicherheit. Das Sympatische
dabei: nach der Schrecksekunde fing sie sich sofort wieder. Sofort heißt, dass sie nach dem Katapultsprung nur ganz wenige abgebremste Schritte weiter lief und sich dann anhalten ließ, so dass
Null-Komma-Nix passierte. Oder fast nix. Nach dem ersten Stunt mussten die Hufschuhe umgemodelt werden, weil sich die Gute irgendwie selbst auf die Füße getreten hatte und dabei war etwas kaputt
gegangen.
Unter Anteilnahme der jungen und alten Dorfnachbarschaft gab Hykezy mit den Pferden daraufhin eine mustergültige Demonstration in Hufschuh-Aus- und Anziehtechnik, beantwortete geduldig sämtliche
hochinteressierten Fragen und organisierte gleichzeitig ihr Packsystem neu. Wohin mit zwei riesigen, auf Waldwegen zugematschten Hufschuhen, die im vorhandenen Taschenvolumen ursprünglich nicht
eingeplant waren? In meiner hinteren Bananentasche fand sich Packraum und in ihrer die Pferdeköttelanfasstüte. Damit ließ sich gut was machen, so dass wir auf baumelnde Sattelanhängsel verzichten
konnten und schon bald wieder guter Dinge weiter zogen. Madame musste nun hinten barhuf laufen, weil man mit einem Ersatzhufschuh nur wenig anfangen kann, wenn gleich zwei ihren Dienst versagen. Da
wir keine übermäßig grob geschotterten Wege gingen, funktionierte das, ohne dass sich die Stute fühlig zeigte.
Bei den Hechtsprüngen abzusteigen, fand ich übrigens irgendwie uncool. Deshalb zog ich es vor, im Sattel kleben zu bleiben. Zugestandenermaßen hatte ich allerdings wenig Zeit, das Für und Wider
abzuwägen. ^.^
Gleich auf der ersten Tour demonstrierten wir nicht nur Flexibilität in Sachen Ausrüstung (es gingen ja nicht nur Hufschuhe, sondern auch ein Steigbügelriemen hinüber). Wir traten auch gleich beim
ersten gemeinsamen Ritt den Beweis an, dass ein mit Fleiß erarbeiteter Track für das GPS auf keinen Fall ausreicht, um sich in unbekanntem Gelände durchzuschlagen. Zugefallene Wege erzwangen Umwege,
forderten geübtes Kartenlesen und das Herz, nach einer von den Pferden prima gemeisterten Kletterpartie ein ersehntes Ziel letztendlich dann doch noch aufzugeben. Ganz einfach den Pferden
zuliebe.
War aber nicht schlimm, denn wir hatten unterwegs noch ein anderes interessantes Gemäuer gesichtet. Eine kleine malerische Burg, die uns in luftiger Höhe auf einem Bergsporn mit offenen Toren
empfing. Anscheinend hatten sämtliche Burgbewohner die Flucht ergriffen. Nicht eine Menschenseele war zu sehen. Hykezy bedauerte es ein wenig, dass wir den kleinen Burgkiosk geschlossen vorfanden.
Mir kam die Abwesenheit der Burgherren dagegen sehr gelegen. Wer weiß, wer sich sonst unserem Ansinnen entgegengestellt und die Eroberung des wunderschön hergerichteten historischen Gebäudes
unterbunden hätte. So konnten wir unbehelligt in die enge Burganlage vordringen. Nach dem Durchschreiten eines kleinen Fugängertores folgten wir einem schmalen, mit groben Steinen gepflasterten Weg,
der uns zwischen hohen Mauern steil hinauf führte und gelangten gar bis in den winzigen obersten Burghof zu Füßen des Burgfrieds. Hufschuhe erwiesen sich auf diesem Grund als großer Vorteil. Die Hufe
traten damit sehr sicher auf und rutschten kein einziges Mal aus. Die Aussicht hier oben war einfach genial ... und die Pferde benahmen sich vorbildlich. So zogen wir nach der Eroberung wieder
spurlos von dannen. :-)
Am Ende der rund 25km-Tour, auf der die Flachländer obendrein laut MagicMaps gut 1500 Höhenmeter Aufstieg und dasselbe als Abstieg überwanden, staunte Hykezy nicht schlecht über die Kondition ihrer
Vierbeiner. Die waren einschließlich Kletterpartie mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von knapp 5 km/h unterwegs gewesen. Für 19km zeigt die GPS-Aufzeichnung ein Schritttempo zwischen 5 und gut 7
km/h an. In diesem Gelände war das eine stramme Leistung. Etwa 5km entfielen auf langsames Klettern oder führen, durch schlechte Wege tasten, sich irgendwo umschauen etc. Was dann noch an der
Tageskilometersumme fehlt, wurde getrabt oder galoppiert. Hykezy kann auf Ihre Vierbeiner stolz sein! Aber nicht nur deshalb.
Die Kletterpartie war ein Abenteuer für sich. Ein frisch aus dem Berghang herab gestürzter Baum versperrte uns den Weg. Die noch frisch belaubte Baumkrone bildete ein undurchdringliches Gewirr von
Ästen und somit ein undurchsteigbares Hindernis. So was blödes! Ich taxierte das Gelände. Links des Weges fiel die Böschung tief und steil in ein kleines Bachtal ab. Rechts schwang sich der Berg
zunächst sanft, dann immer steiler werdend im Schatten des Hochwaldes hinauf. Irgendwo hinter der Kuppe da oben mußte sich die Ruine auf dem von hier nicht sichtbaren Berggipfel erheben, zu der wir
hinauf wollten. Die Höhe der Böschung rechts neben uns war unregelmäßig und bot Einstiegsmöglichkeiten in den sich darüber anschließenden Hang. Der war im unteren Bereich wellig aber nicht so steil,
als dass wir da nicht die Umgehung des Hindernisses wagen konnten. Außerdem standen die Bäume weit auseinander und es gab hier kein Unterholz. Da und dort lag etwas Holz herum, doch das ließ sich
alles übersteigen oder umwandern. Der dünne Stamm der aus der Höhe herab gestürzten Buche lag flach im Hang. Auch der ließ sich bestimmt gut übersteigen. Ich versuchte zu erkennen, ob die Böschung
hinter der umgestürzten Buche flach genug war, um sicher aus dem Berghang zum Weg zurück zu gelangen. Ja, das sah gut aus. Hykezy beobachtete mein Taxieren. „Aufgeben? Oder noch einen Versuch wagen?“
Bislang hatten die Pferde alle Hindernisse prima gemeistert. „Hmmm - - - Ich überlege gerade. Das Gelände ist frei genug, dass wir ausprobieren können, wie die Pferde mit dem Hang klar kommen.
Eigentlich müsste es gehen.“ Hykezy, die wegen des abgerissenen Steigbügels ihr Pferd schon den ganzen Aufstieg führte, fragte: „Willst Du absteigen?“ „Nein. Entweder Madame schafft es mit mir im
Sattel oder wir brechen ab und kehren um. Sie hoch führen, ist mir zu riskant. Ich kann das besser reiten.“ „Ok.“ „Bleib bitte zurück und beobachte uns. Ich bleibe zwischendurch stehen und dann kommt
ihr nach, wenn alles gut läuft.“ „Alles klar.“ - - - Meine Augen glitten noch einmal über den Hang und ich „markierte“ in Gedanken unseren Weg … ein Stück klettern, dann mehr oder weniger waagerecht
queren. Also los. Ich fasste die Zügel kürzer aber nicht stramm, jederzeit bereit sie gleiten zu lassen, um Bewegungsspielraum zu geben, griff in die kräftige Mähne und legte mich leise schnalzend
nach vorne. Beim Schritt über die niedrige Böschung rundete sich der breite Pferderücken. Als der massige Pferdekörper sein Gewicht hinauf wuchtete, klemmte ich mich mit den Knien fest, stützte mich
etwas in den Steigbügeln ab und ging im Oberkörper mit der Bewegung mit. Dabei streckten sich meine Arme der Vorbeuge des Pferdes entsprechend und im nächsten Moment machte ich einen kleinen Klimmzug
an der Mähne. Madames Schwung fühlte sich gut an. Er war sehr schön in einer geraden Bewegungsachse zentriert und ausbalanciert. Sie schien sich unter mir sicher zu fühlen und folgte ganz ruhig exakt
meinen Signalen. Ok. Das Pferd konnte klettern! Juchhu!
Ich glaube, Hykezy hielt kurz die Luft an, als sie uns dabei beobachtete. Doch das registrierte ich in diesem Moment nicht. Die ganze Konzentration galt meiner neuen pferdigen Freundin. Sie dachte
ganz toll mit, horchte aufmerksam auf mich und verließ sich total auf meine Führung.
Nach der Böschung ging es ganz kurz etwas flacher hinauf. Dann hieß es wieder klettern. Mit mehreren kräftigen, geschmeidigen Sätzen erreichten wir den Beginn der Querpassage. Jeder Schritt saß. Das
Pferd war klasse!
Ich ließ Madame verschnaufen. Dann tasteten wir uns schön langsam weiter, um aus der Kletterzone heraus zu kommen. Hykezy kam mit ihrem Pferd an der Leine gut hinterher. Als ich erneut anhielt und
sie aufschließen wollte, bat ich sie, mit großem Abstand stehen zu bleiben. In so einem Gelände ist das besser. Wir gingen immer nur ein kurzes Stück und ließen dann die Pferde wieder stehen. Unsere
Ruhe gab den Pferden viel Sicherheit in der ihnen völlig fremden Situation. Sie verschnauften und verdauten die ungewohnten Eindrücke. So kamen wir in kurzen Intervallen zwar nur langsam jedoch sehr
sicher und gut weiter.
Von oben war der Ausstieg aus dem Hang nicht mehr so gut zu erkennen wie vom Weg aus. Also band Hykezy ihren Wallach an einen Baum und ging mal vor, um nachzusehen, ob wir die richtige Stelle im
Visier hatten. Ich beobachtete jeden ihrer Schritte, um daran abzulesen, wie fest bzw. weich dort der Boden war und merkte mir ihren Weg. Sie fand den Ausstieg ohne Probleme und er schien auch gut
passierbar. Doch als wir erneut beratschlagten, ob wir uns weiter trauen sollten, schlug ich vor, umzudrehen. Am linken Bein fühlte ich ein nicht enden wollendes heftiges Vibrieren. War es
Anstrengung oder Angst? Das Pferd machte einen völlig ruhigen Eindruck und der Atem ging gleichmäßig. Doch wozu ein unnötiges Risiko eingehen? Bis hier her war alles ganz klasse gelaufen. Doch wer
weiß, was uns hinter der nächsten Kurve erwarten würde? Wir waren uns sofort ohne jede Diskussion einig und brachen die Besteigung des Ruinenberges ab.
Hykezy sicherte die Stute am Kopf, während ich mich aus dem Sattel gleiten ließ. Dann stapften wir langsam zurück. Dieses Mal Hykezy vorne. Als sie mit ihrem Wallach den Weg erreicht hatte, ermutigte
sie mich, den Zügel der Stute auszuklinken und sie mit einem Klaps den Kletterhang hinunter zu schicken. Madame nahm das Kommando ohne Zögern an, stieg von Hykesys aufmunternden Worten motiviert
vorsichtig in das Steilstück, ließ sich dort, wo der Boden nachgab, geschickt gleiten, fand wieder sicheren Stand, hopste locker über die niedrige Böschung zum Weg hinunter, wendete geschmeidig und
blieb hinter dem Wallach stehen. Den Blick, den sie mir dann mit ihren großen Kulleraugen zuwarf, werde ich wohl so schnell nicht vergessen. Als wollte sie fragen: „Und wie sieht’s mit Dir aus?
Schaffst Du das auch?“ Während ich langsam und ruhig feste Tritte suchend den Hang hinunter stieg, ließ sie mich keine Sekunde aus den Augen. Total süß, wie sie mich beobachtete! Und dann ihre
Begrüßung, als ich Madame den Zügel wieder einklinkte. Ihr Vibrieren war wieder weg. Sehr gut. Richtige Entscheidung getroffen.
Während wir die Pferde ins Tal zurückführten, beratschlagten wir kurz, wie es weiter gehen sollte. Ich nutzte die erste Bank am Waldrand, um wieder aufzusteigen. Hykezy führte lieber noch ein Stück
bis zu einer Wiese, wo die Pferde schön grasen konnten, während sie sich aus kräftigen Schnüren einen behelfsmäßigen Steigbügelriemen knotete. Der blöde Riemen war gerissen, als sie in einer
Engstelle mit dem Steigbügel im Zaun hängen blieb.
Und danach eroberten wir dann endlich in Seelenruhe ohne weitere Zwischenfälle die schöne Burg.
Am nächsten Morgen standen zwei ziemlich müde Krieger am Sattelplatz. Wir ließen es schön gemütlich angehen. Doch als sie erst mal in Fahrt gekommen waren, gingen sie genauso flott, wie am Vortag und
bescherten uns einen weiteren unvergesslich schönen Ausflug.
Danke, Hykezy, für die herrliche Zeit mit Dir.
Hufschuhe - Nach allem, was ich so in diesen Tagen beobachten konnte, bin ich der Meinung, daß es ganz wichtig ist, das Pferd nicht nur an das Tragen, sondern auch das An- und
Ausziehen der Hufschuhe zu gewöhnen. Dabei trainiert man auch den Umgang mit dem Material. In Stresssituationen müssen die Handgriffe sitzen.
Der weiche Ballenschutz, ein separat erhältliches Ersatzteil, das an den eigentlichen Schuh angeschraubt wird, kann durch ungewöhnliche Belastung abreißen. Keine Ahnung, wie gut man so etwas selbst
am Hufschuh befestigen/austauschen kann. Wer das kann, sollte sich überlegen, davon mehrere als Ersatz mitzunehmen. Scheint mir ein Schwachpunkt zu sein. Komplette Hufschuhe dürfen im Ersatzteillager
auch nicht fehlen.
Riemen, die selten verstellt werden, verschleißen gern unbemerkt an den immer gleichen Knickstellen. Die Materialermüdung ist nicht immer augenscheinlich. Ein plötzlicher Ruck, wenn
man hängen bleibt oder sich aus irgendeinem Grund heftig in die Bügel stemmt, zerlegt so einen Riemen dann. In meiner Banane stecken stets mehrere Schnüren, Seile und kurze Spanngurte, aus denen man
etwas improvisieren kann. Auf mehrtägigen Wanderritten ersparen Ersatzriemen (Paare!) eine Menge Stress.